Hintergrund
In den Auseinandersetzungen um Flucht und Migration nach Europa fordern Politiker*innen aus allen Lagern die „Fluchtursachen zu bekämpfen“. Hinter dem Schlagwort „Fluchtursachenbekämpfung“ verbergen sich häufig Maßnahmen, um Geflüchtete bereits in Her- kunfts- und Transitregionen, wie den Ländern Nord- oder Westafrikas, an einer Weiterflucht nach Europa zu hindern. Dabei kooperieren die europäischen Staaten häufig auch mit autoritären Regimen und setzen Ent- wicklungsgelder ein, um Länder für die Verhinderung der Migration zu gewinnen.
Fluchtgründe
Menschen fliehen aus unterschiedlichen Gründen: Gewalt, Entbehrung, Schutzlosigkeit, politische Instabilität oder der Wunsch nach einem besseren Leben, um sich die Existenz zu sichern. Diese Gründe müssen immer im Zusammenhang betrachtet werden. Die zerstörerischen Prozesse in den Herkunftsländern mit Krieg und Destabilisierung lassen sich nicht getrennt von extremer Ungleichheit, ökologischen Verwüstungen oder Armut und Chancenlosigkeit verstehen – vielfach Folge globaler kapitalistischer Krisenprozesse. Die wenigsten Menschen flüchten nach Europa, 85 Prozent leben in sogenannten Entwicklungsländern.
Über 70 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht vor Verfolgung, Konflikten und Gewalt – die meisten aus Syrien, Afghanistan, Südsudan, Myanmar und Somalia.
Europäische Politiker*innen sehen die Ursachen von Flucht häufig isoliert in lokalen Zusammenhängen – „vor Ort“ sollen Fluchtursachen bekämpft werden. Doch die Lebensbedingungen und Notlagen, die zur Flucht treiben, sind von der globalen Situation und der Rolle des Westens nicht zu trennen: Kriege, die als Stellvertreterkriege ausgetragen werden, weil die EU und andere Akteure auch ihre geopolitischen Interessen verfolgen.
Freihandelsabkommen zu Gunsten Europas wie die „Wirtschaftspartnerschaftsabkommen“ unter anderem mit afrikanischen Staaten (EPAs), ruinieren die Lebensgrundlagen lokaler Produzent*innen. Fischereiabkommen ermöglichen es beispielsweise, dass Fangflotten der EU Fischbestände vor der westafrikanischen Küste ausnutzen. Das zerstört die Existenzgrundlage der dortigen Fischer*innen.
Ökologische und soziale Katastrophen
Die Umwelt“nutzung“ europäischer und internationaler Konzerne in den „Entwicklungsländern“ hat verheerende ökologische und soziale Folgen. Sie befriedigt vor allem die Konsumbedürfnisse und die Lebensweise in den Industrieländern.
Fluchtursachen sind zudem vor dem Hintergrund weltumspannender Machtstrukturen zu sehen. Bis heute prägt der Kolonialismus die Länder. Und bis heute werden Abhängigkeiten durch die europäische Wirtschafts, Handels- und Außenpolitik verschärft und durch die Eliten und Handelspartner vor Ort verstärkt.
Der Studie des European Network on Debt and Development aus dem Jahr 2015 zufolge fließt weltweit rund doppelt so viel Geld aus dem globalen Süden in den Norden (über illegale Finanzströme, Schuldendienste, Gewinntransfers multinationaler Unternehmen), als über Entwicklungszusammenarbeit, Kredite und Investitionen von Norden nach Süden.
Die Position der IG Metall
Die IG Metall tritt für eine friedenspolitische Lösung ein. Fluchtursachen sollen so an der Wurzel bekämpft werden. Die IG Metall unterstützt ausdrücklich das Begehren nach Freiheit, Demokratie und gleicher Verteilung des Reichtums und wirkt darauf hin, dass:
- keine Kriege oder kriegsähnlichen Handlungen um Rohstoffe geführt werden, Finanzmarktspekulationen auf Nahrungsmittel- preisen verboten werden,
- keine Rüstungsexporte in Krisenländer getätigt werden,
- den von Krieg und Gewalt betroffenen Menschen beigestanden wird, einschließlich einer solidarischen Flüchtlingspolitik.
Aufgabe sollte sein, über Fluchtursachen und deren Zusammenhänge aufzuklären und betriebliche Integration voranzutreiben. Das Betriebsverfassungsgesetz bietet dazu ausreichend Hilfestellung.
Leitantrag des Gewerkschaftstags 2019: „Uns eint die Überzeugung, dass Krieg und der Bruch völkerrechtlicher Vereinbarungen keine Mittel zur Konfliktbewältigung sind. Die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik muss sich im Bewusstsein ihrer historischen Verantwortung für Frieden in der Welt und insbesondere in Europa einsetzen.“
Stand: September 2019